In den letzten Dekaden sind rasch- und langwirkende Insulinanaloga zum Standard bei der intensivierten Insulintherapie geworden und die Abdeckung des prandialen und basalen Insulinbedarfs gelingt damit vielen Patienten mit Diabetes recht gut. Die teilweise erbittert ausgetragenen Kämpfe zur Frage, welches nun das bessere langwirkende Insulin ist, weil es eine geringere Variabilität und höhere Konstanz in der Insulinwirkung über die Zeit hinweg aufweist, ist zu einem gewissen Ende gekommen, auch wenn es immer noch Rechtsstreitigkeiten dazu gibt.
Aktuell sind auf dem Markt verfügbar ein neues, ultraschnell wirkendes prandiales Insulin von Lilly und einige Biosimilar-Insuline von rasch- und langwirkenden Insulinanaloga. Ist damit das Thema neue Insuline beendet? Deutlich nicht, denn es gibt eine ganze Reihe von spannenden Entwicklungen, auch weil immer noch nicht alle Diabetes-Patienten eine optimale Glucosekontrolle aufweisen und auch nicht alle ein AID-System nutzen wollen oder können! Verbesserungsfähig sind nach wie vor die Abdeckung der postprandialen Glucoseverläufe, die Senkung des Risikos von Hypoglykämien und die Vermeidung von anderen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Entwicklung von Hautveränderungen (primär Lipohypertrophien) sowie Schmerzen beim Einstich bzw. an der Stelle des Insulindepots.
Zu den spannendsten Entwicklungen von Insulinen sind zurzeit wohl diejenigen, die eine Wirkdauer von einer Woche aufweisen (Insulin 287, Insulin Icodec). Dazu gab es vor kurzem sogar eine Publikation im New England Journal of Medicine. Obwohl das Insulin eine gewisse Flexibilität beim Zeitpunkt der Dosierung zulässt, kam es zu signifikant weniger nächtlichen Hypoglykämien. Auch die Belastung der Insulinapplikation, die jedoch nur von einem Teil der Patienten so wahrgenommen wird, kann durch die nur einmal wöchentlich notwendige Injektion deutlich reduziert werden. Außerdem lässt sich das Insulin mit Semaglutide kombinieren.
Ultra-raschwirkende Insuline hat auch die französische Firma Adocia in der Entwicklung. Leider fehlt bislang ein großer Partner, um die Entwicklung der vergangenen Jahre energisch voranzutreiben, aktuell gibt es aber eine Zusammenarbeit mit einem chinesischen Insulinhersteller. Durch die Zugabe von bestimmten Oligosacchariden bleibt z.B. Insulin Lispro als Monomer in der Insulinlösung, eine Formulierung, die nun in Phase III-Studien untersucht werden soll. Aber es gibt noch mehr spannende Entwicklungen von dieser Firma, so wird z.B. bei einer anderen Insulinformulierung eine noch schnellere Absorption aus dem Insulindepot durch Zugabe von Zitronensäure erreicht. Mit diesem Ansatz lassen sich auch Mischinsuline herstellen, z.B. Mischungen aus einem rasch- mit einem langwirkenden Insulin, wenn ein polyanionisches Polymer zugegeben wird.
Ein englisches Unternehmen mit dem Namen Arecor ist hochaktiv bei der Entwicklung eines „Superfast’’ Insulin Aspart und gibt Substanzen zu, die Metallionen binden. Eher ungewöhnlich dagegen ist die Entwicklung eines ultraraschwirkenden Insulins, welches auf dem Insulin einer Fische-jagenden Kegelschnecke beruht. Diese Schnecken spritzen den Fischen ein als „Gift“ wirkendes Insulin ein und die Wirkung des als Monomer vorliegenden Insulin beruht darauf, eine Hypoglykämie hervorzurufen. Das Insulin bindet – trotz Unterschiede in der Primärsequenz – an den Insulinrezeptor für Humaninsuline, aber mit einer geringeren Affinität. Wir sind gespannt, ob hieraus mal ein Ansatz für die Insulintherapie wird.
Schon seit einigen Jahre in der klinischen Entwicklung ist ein Leber-spezifisches Insulin Lispro von Diasome Pharmaceuticals. Um diese Entwicklung voranzutreiben, hat die Firma vor kurzen eine Kooperation mit Lilly geschlossen. Durch Zufügen eines Biotins zur Insulinformulierung kommt es dazu, dass nach der subkutanen Injektion das ins Blut absorbierte Insulin vorrangig in der Leber aktiv wird. Die Ergebnisse einer aufwändigen klinischen Studie Patienten mit Typ 1-Diabetes wurden kürzlich hochrangig publiziert.
Es gibt noch eine Reihe von weiteren Ansätzen, wie das Insulin rascher oder langsamer ins Blut aufgenommen werden soll, um so geeignetere Wirkprofile zu erreichen. Ob aber durch die Erwärmung der Haut an der Injektionsstelle oder die Verwendung von Nadelpatches mit einer Vielzahl von dünnen Nadeln praktikable Ansätze erreicht werden, bleibt abzuwarten.
Wie wir kürzlich berichtet haben, gibt es aktuell eher wenige Entwicklungen beim oralen Insulin. Hier gilt es insbesondere die Ergebnisse von Phase III-Studien von OraMed abzuwarten. Beim inhalativen Insulin versucht die Firma MannKind mit Afrezza am US-Markt Fuß zu fassen, bleibt da aber anscheinend in einer Nische stecken. In Europa ist dieses Insulin bisher nicht auf dem Markt. Die US-Firma Dance (heute Aerami Therapeutics) hat eine flüssige Insulinformulierung, die durch einen kleinen Inhalator vernebelt wird. Das Einatmen dieses Aerosol bewirkt eine lineare Dosis-Wirkungsbeziehung bei einem raschen Wirkungseintritt und einer vergleichsweise guten Biopotenz sowohl bei Patienten mit Typ 1- als auch bei Typ 2-Diabetes. Kostenintensive Phase III-Studien stehen noch aus.
Fazit: Obwohl bereits ein gewisses Niveau bei den Insulinen erreicht wurde, ist hier noch kein Ende der Weiterentwicklungen in Sicht! Es bleibt also spannend!
DiaTec weekly – Dezember 11, 20
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