Bei einer Podiumsdiskussion über die finanziellen Auswirkungen der CGM-Nutzung im stationären Umfeld wurde von den Diskussionsteilnehmern der bisher übliche Rahmen in Frage gestellt, den staatliche und andere Kostenträger zur Bewertung der Qualität stationärer Technologien verwenden, vor allem in Hinsicht auf die Bettenbelegung und die Vermeidung von Krankenhausinfektionen. Man sprach sich stattdessen für einen Ansatz aus, der nicht nur die glykämischen Ergebnisse, sondern auch deren Beziehung zu langfristigen negativen klinischen Ergebnissen berücksichtigt. Eine Analogie hierzu ist: CGM im KH ist wie selbstfahrende Elektroautos! Jeder findet es sinnvoll und will es haben, aber niemand weiß wirklich, wie man es bekommt oder einführt.
So wurde der aktuelle Stand der CGM-Nutzung in KH als „Wilder Westen“ bezeichnet, mit unterschiedlichen Qualitätskennzahlen und Benchmarking-Prozessen zwischen den Krankenhäusern, die ohne eine Standardisierung der CGM-Datenberichterstattung nicht vergleichbar sind. Anhand desselben Datensatzes wurde dargelegt, wie Berechnungen nach unterschiedlichen Modellen zu verschiedenen durchschnittlichen Blutglucosewerten und Identifizierungen von Hypoglykämie- und Hyperglykämie-Ereignissen während der stationären Versorgung führen. Spannenderweise arbeitet wohl das Center for Disease Control (CDC) in Atlanta an der Entwicklung einer elektronischen Patientenakte, die eine herstellerneutrale Überwachung der Qualität der Glucosekontrolle auf nationaler Ebene beinhaltet. Erfreulicherweise gibt es bereits erste Fortschritte bei der Integration von CGM-Daten in diese Patientenakte.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die bei der Betrachtung einer CGM-Einführung eine Rolle spielen, z.B. im Zusammenhang mit den komplexen Fragen der Kostenerstattung. So ist ein Aspekt dabei, dass es dem Krankenhaus- Personal Zeit erspart, wenn die Blutglucosemessung nicht mehr mit POC erfolgt und das Pflegepersonal die Zeit für andere Aufgaben in der Patientenbetreuung nutzen kann. Weitere Kostenvorteile sind eine geringere Verweildauer und seltenere Wiedereinweisungen, die stark von den Hypo- und Hyperglykämieraten beeinflusst werden. Hierbei ist es wichtig die Bedeutung der Glukoseüberwachung für den langfristigen klinischen Outcome zu dokumentieren. Kostenträger messen den finanziellen Nutzen von CGM vor allem daran, ob die Patienten das KH schneller verlassen können und somit auch potenziellen Infektionen vorgebeugt werden kann – und natürlich auch daran, ob der Platz in den KH-Betten für den nächsten Patienten frei wird.
Eine Problematik bei der Nutzung von CGM-Systemen im stationären Umfeld ist die Durchführung der Glukose-Telemetrie, da das Krankenhaus-Wi-Fi für die Übertragung der CGM-Daten an die Pflegestationen vorhalten muss. Weitere Hürden liegen in der Zustimmung der Krankenhausverwaltung und des Gesundheitspersonals – was deshalb eine besondere Herausforderung ist in einer Zeit, in der das Personal in den Krankenhäusern ausgesprochen knapp ist. Gleichzeitig haben sowohl Pflegepersonal als auch Ärzte ein großes Interesse an der Nutzung von CGM in der stationären Versorgung.
Für das Krankenhauspersonal kann es zudem eine Herausforderung sein, geeignete stationäre Patienten für die CGM-Nutzung auszuwählen: Soll man alle CGM-Nutzer in einer Abteilung zusammenlegen, so dass alle IT-Systeme räumlich vereinheitlicht werden, oder ist es das Ziel, die Untergruppe der Patienten mit dem höchsten Risiko anzusprechen, die über das ganze Krankenhaus verteilt sein können? Führen die vielen Alarme bei der Nutzung von CGM-Systemen zu einer „Alarmmüdigkeit“ bei dem KH-Personal? Wie werden CGM-Daten am besten visualisiert? Will man alle 100-200 Datenpunkte der letzten Stunden sehen oder reicht eine Zusammenfassung von zwei bis vier Stunden oder sechs Stunden oder 24 Stunden? Hinzu kommen juristische Fragen wie: Kann CGM auch ohne qualitätskontrollierte POC-Tests eingesetzt werden?
In einer Sitzung wurde die Koexistenz von POC-Tests und CGM-Systemen im KH (zumindest vorerst) in Aussicht gestellt, wobei auch spezielle klinische Bedingungen wie Schwangerschaft und Dialyse berücksichtigt wurden. Es bisher wohl nur wenige Belege für den vollständigen Ersatz von Point-of-Care-Tests durch CGM. Es gab auch die Forderung nach einer auf Laboranalysegeräte bezogene Genauigkeitsprüfung für CGM-Systeme im KH.
Fazit: Was wäre denn der Traum, wenn es um den Einsatz von CGM im Krankenhaus geht? Eine Antwort auf diese Frage ist: Wir sollten eine solche Diskussion auch in Deutschland haben, um die vielfältigen Aspekte und Fragen im Sinne einer besseren und sicheren Nutzung von CGM-Systemen zu beleuchten.
DiaTec weekly – Mai 26, 23
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