Brian Cooley ist ein Reporter, der über Consumer-Technologie berichtet und dabei nicht auf Diabetes-Technologie fokussiert ist. Die Bandbreite in seinem Vortrag war deshalb beachtlich, von Künstlicher Intelligenz über “Remote monitoring“ (Telemonitoring) bis zu 5G war eine Menge aus dem Bereich technologischer Entwicklungen dabei. Brian hat eine grundlegendere Perspektive bezogen als die, die wir normalerweise von Rednern mit einem medizinisch-technischen (oder diabetes-technischen) Hintergrund kennen, denn: „Technologie ist die Art und Weise, wie wir Dinge getan bekommen“. Besonders spannend war die Definition von vier Hauptthemen, die eine gute Technologie ausmachen. Dabei gelten diese Aspekte sowohl für Verbrauchertechnologien als auch für Diabetestechnologien. Deshalb sollten diese seiner Ansicht nach von allen Menschen, die an Diabetestechnologien arbeiten, beachtet werden:
- Technologie ist transparent. Geräte und Software sollten am besten „verschwinden“. Ein Beispiel dafür ist die Umstellung von konventioneller Blutzuckermessung (SMBG) auf CGM. Für die SMBG müssen die Nutzer eine Stechhilfe, Teststreifen und ein Blutzuckermessgerät mit sich herumtragen. Außerdem ist das Stechen in den Finger mit einem gewissen Schmerz verbunden und vor allem gut sichtbar. Natürlich haben auch die aktuellen CGM-Systeme noch Schwachstellen, z.B. müssen die Glukosesensoren alle 7-14 Tage gewechselt werden, die Systeme haben Fehlfunktionen und geben Alarme ohne Grund, zumindest einige Systeme benötigen noch eine SMBG zur Kalibrierung der Glukosemessung. Wenn sie jedoch optimal funktionieren, was sie die überwiegende Zeit auch tun, nehmen sie die Last von SMBG fast vollständig ab. Mit Blick auf die Zukunft können noch kleinere (oder sogar implantierte) Glukosesensoren und CGM-Systeme mit einer längeren Tragedauer CGM für Menschen mit Diabetes noch transparenter machen.
- Technologie ist intuitiv. Nicht nur die Art und Weise, wie eine Technologie zu verwenden wird, muss intuitiv sein – es muss ebenfalls intuitiv sein, „warum“ diese verwendet werden sollte. Ein Beispiel – die „Time in Range“ (TiR): Sowohl die Hersteller als auch viele Diabetologen berichten darüber, dass dieser Parameter für die Patienten einfacher zu handhaben und verstehen ist als der HbA1c. Für den Patienten ist es aussagekräftiger, wenn er weiß, dass die TiR bei 70% liegt als dass sein HbA1c-Wert 7% beträgt. Die Angabe 70% „Zeit im Bereich“ bedeutet, dass die Glykämie ~17 Stunden pro Tag in einem akzeptablen Blutzuckerbereich liegt und man braucht sich deshalb 17 Stunden oder 70% des Tages keine Sorgen um Hypo- oder Hyperglykämien machen.
- Technologie ist intim. Ein anderes Wort dafür ist „personalisiert“: Eine gute Technologie sollte den Nutzer besser kennen als dieser sich selbst. Ein Beispiel im Diabetesbereich sind AID-Systeme. In der Vergangenheit hat der Nutzer basierend auf Blutzuckerdaten einige Mal pro Tag die Insulindosierung an den Bedarf angepasst. Durch die Verfügbarkeit von guten Algorithmen können AID-Systeme nun fortwährend den Glukoseverlauf überwachen und die Insulinzufuhr entsprechend anpassen. In der Zukunft werden weiterentwickelte Algorithmen unter Nutzung von künstlicher Intelligenz und Daten von weiteren Sensoren (z.B. Bewegungssensoren, Keton-Sensoren, Temperatursensoren) es ermöglichen, sich mit seinem Verhalten vertraut zu machen und die Insulinzufuhr noch besser an den individuellen Nutzer anzupassen.
- Technologie ist beständig. Gute Technologie sollte überall und immer dort präsent sein, wo sich der Nutzer aufhält. Dies klingt erstmal trivial, ist es in der Realität aber nicht, wenn wir z.B. an die Verfügbarkeit eines stabilen und schnellen Internetzuganges denken. Dazu zählt auch die Verfügbarkeit von Glukosedaten eines Nutzers für Andere, z.B. für Eltern. So sollte der Zugang zu CGM-Daten nicht nur über ein Smartphone oder ein Sensor-Lesegerät möglich sein, sondern diese Information sollte auch über eine Smart Watch möglich sein, wie sie viele Menschen schon am Handgelenk tragen. Für sehbehinderte Menschen kann die Verfügbarkeit einer Siri-Integration sehr hilfreich sein, da diese es den Nutzern ermöglicht, ihre Glukosedaten per Sprache abzurufen. Die meisten CGM-Systeme bieten heute eine Fernüberwachungsfunktion für Eltern, Partner oder andere Betreuungspersonen an. Wenn es allerdings zu einem Ausfall der „Cloud“ kommt, was in den letzten Jahren auch bei großen Herstellern von CGM-Systemen passiert ist oder durch den Brand in großen Rechenzentren, dann stehen solche Support-Systeme von jetzt auf gleich für einen gewissen Zeitraum nicht mehr zur Verfügung! Die Beständigkeit von Technologie ist auch unter außergewöhnlichen Klimabedingungen nicht immer garantiert.
Fazit: Nach Ansicht des Redners liegt die Zukunft von Technologie in der „Antizipation“ und es wird neue Schnittstellen geben: Sensoren überwachen die Umgebung, Biometrie erkennt andere Menschen, intelligente Stimmenerkennung liefert Informationen über deren Verhalten etc. Dazu kommen intelligente Kameras, die Überwachung der Gehirnwellen usw. Die Kombination von solchen Daten mit Telemedizin liefert umsetzbare, personalisierte Informationen für den „Gesundheitskonsumenten“. Die Integration aller dieser Daten zu einem Ganzen wird die Art und Weise ändern, wie wir mit unserer Gesundheit umgehen. Dies betrifft eben nicht nur Menschen mit Diabetes, sondern auch stoffwechselgesunde Menschen. Heutzutage werden CGM-Systeme ja auch von solchen Menschen verwendet, um Informationen über ihre Gesundheit zu erfahren, sei es über den Einfluss von Nahrungsmitteln auf den Glucoseverlauf oder bei Sport, gepaart mit einer optimalen Nahrungsaufnahme. Zu all diesen Aspekten gibt es diverse Apps und Medizinprodukte. Wir alle werden in Zukunft diverse Medizinprodukte in unserer Lebensumgebung haben, die uns reichlich Informationen über unsere Körperfunktionen liefern und uns „sagen“, was wir brauchen. Der Nutzer solche Apps und Produkte sollte aber im ersten Schritt verstehen, was er aus welchem Grund tut. Dafür braucht er oder sie eine geeignete Schulung, die ihm verstehen hilft, welche Arten von Lebensmitteln welche „Reaktionen“ in den Glukoseverläufen induzieren und ihn bei der Optimierung des Diabetesmanagements zu unterstützen.
Technologie versetzt uns in die Lage, zu sehen und zu lernen, wie unser Körper unter verschiedenen Umständen reagiert. Wir haben dadurch die Möglichkeit, aktiv Entscheidungen zu treffen – anstatt nur reaktiv zu reagieren.
DiaTec weekly – August 20, 21
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