Das Symposium am frühen Mittwochmorgen wartete mit einem originellen Titel auf: „A New Hope or Strange New Worlds: Submerging diabetes into emerging technologies“ (Neue Hoffnung oder fremde Welten: Eintauchen von Diabetes in neue Technologien). Auch die drei Referenten mussten mit ihren Vorträgen mit eher ungewöhnlichen Titeln kämpfen: „Werden wir zu Robotern?“ Dabei ging es um Stärken und Grenzen von AID-Systemen für alle Menschen mit Typ-1-Diabetes von Moshe Phillip aus Israel, der zunächst aufzeigte, wie CGM-Systeme einen Paradigmenwechsel in der DT vollzogen haben: „CGM ist das wichtigste Instrument der letzten 20 Jahre“, sagte er und fügte hinzu, dass die AID-Systeme zu einer bemerkenswerten Erhöhung der Zeit im Zielbereich (TiR) und niedrigeren HbA1C-Werten geführt hat. Er erläuterte, wie diese Technologien mit „Künstlicher Intelligenz“ (KI) zusammenwirken, um ein klinisches Entscheidungshilfesystem (CDSS) zu schaffen und wies darauf hin, dass die Behandlungsrichtlinien für Diabetes „so komplex sind, dass es sehr schwierig ist, ihnen zu folgen“. In das CDSS fließen Daten von Systemen wie CGM, Insulinpumpen, Smart Pens und sogar Blutglucosemesssystemen zur Selbstkontrolle ein. Diese Daten werden von KI-Algorithmen analysiert, die Glukosemuster und Insulindosierungsereignisse erkennen und schließlich eine detaillierte Visualisierung der Gesundheitsdaten einer Person liefern. „Innerhalb von Sekundenbruchteilen erhalten die Ärzte Informationen darüber, wie sie die Therapie für jeden einzelnen Patienten anpassen können“, so Philip. Als würde man bei einem Kollegen anklopfen und ihn um eine zweite Meinung bitten, so soll das CDSS als unterstützendes Instrument dienen. Durch die bessere visuelle Darstellung von Gesundheitsdaten müssen Ärzte nicht mehr so viel Zeit mit dem Durchsuchen von Daten verbringen und können sich mehr Zeit für ein Gespräch mit ihren Patienten nehmen.
Der zweite Vortrag bezog sich auf einen Evergreen „I just call to say I love you!“ (Ich rufe nur an, um zu sagen, dass ich dich liebe…“) und beleuchtete Diabetes-Tools für die Telemedizin. Richard I.G. Holt aus Großbritannien fragte sich, was wir von der Pandemie und darüber hinaus eigentlich gelernt haben? Obwohl die Telemedizin schon seit einigen Jahren auf dem Vormarsch ist, führte erst die COVID-Pandemie zu einer deutlichen Beschleunigung ihrer Einführung: „Über Nacht waren wir gezwungen, uns auf die Telemedizin einzustellen, weil der persönliche Kontakt angesichts der Pandemie nicht mehr sicher war.“ Die Patienten schätzen die größere Bequemlichkeit und Flexibilität der Telemedizin, während die Gesundheitsdienstleister davon profitierten, dass weniger Termine verpasst oder abgesagt wurden. Da die Menschen nicht mehr im Wartezimmer warten mussten, wurde ihre Privatsphäre gewahrt und das Risiko der Verbreitung von Infektionen in der Klinik verringert. Der Redner wies jedoch darauf hin, dass die Umstellung auf Telemedizin mit verschiedenen Herausforderungen verbunden ist. Er zitierte eine Studie, wonach im Vereinigten Königreich aufgrund der COVID-Pandemie möglicherweise rund 60.000 Diabetesfälle nicht diagnostiziert wurden, weil die Patienten nicht in die Klinik gekommen sind. Außerdem gab es während der Pandemie deutlich weniger HbA1c-Messungen und Fußuntersuchungen. Einige Patienten ziehen persönliche Kontakte vor, da es so einfacher ist, mit dem Gesundheitsteam in Kontakt zu treten. Andere Patienten empfanden die Nutzung von Telemedizin als stressiger, was zeigt, dass wir nicht davon ausgehen können, dass die Technologie für alle bequem und komfortabel ist. Nach Ansicht des Redners ist Telemedizin für sehr junge oder sehr alte Menschen, für Menschen mit komplexen gesundheitlichen Bedürfnissen und für Menschen, die eine körperliche Untersuchung benötigen, weniger geeignet. Telemedizin kann zwar für eine wirksame Diabetesversorgung eingesetzt werden, aber nicht alle persönlichen Konsultationen ersetzen.
Der Titel des letzten Vortrags lautete: „Wetten auf das nächstbeste Ding in der digitalen Diabetestechnologie“ und wurde von Stephen J. Russell aus den USA präsentiert. Russell gab nach einem Überblick zum Stand bei AID-Systemen und vor einem Ausblick auf mögliche „smarte“ Insuline in der Zukunft einen ausführlichen Einblick in ein von ihm mitentwickelte AID-System (Beta Bionics iLet) und zeigte aktuelle Daten dazu, wie solch ein System die Zeit im Zielbereich verbessert und den HbA1c-Wert absenkt. Hybride AID-Systeme verlangen von den Nutzern noch die Abgabe von manuellen Boli zu den Mahlzeiten und gelegentlich auch von Korrekturboli. Die Ergebnisse der Insulin-only iLet-Studie von Beta Bionics, die ursprünglich auf dem ATTD 2022 vorgestellt wurde, sind beeindruckend: Die Studienteilnehmer (n=440 Erwachsene und Kinder), die das iLet verwendeten, erreichten nach dreizehn Wochen eine Verbesserung des HbA1c-Wertes um 0,5% und eine Verbesserung der TiR von 2,6 Stunden pro Tag im Vergleich zur Standardversorgung, die jede andere Art der Insulinverabreichung (einschließlich Insulinpen, Pumpe, AID) umfasste. Interessant ist, dass bei Verwendung von Fiasp nur minimale Verbesserungen des Blutglucoseverlaufs beobachtet wurden, im Vergleich zu Insulin Aspart oder Insulin Lispro – keine Unterschiede im HbA1c und nur eine leichte Verbesserung der TiR (+29 Minuten pro Tag). Trotzdem würde der Redner Fiasp als Insulin bevorzugen, weil die schnellere Pharmakokinetik dieses Insulins hilft, postprandiale Glukoseexkursionen zu reduzieren. Die AID-Algorithmen müssen schnellere PK-Eigenschaften nur richtig berücksichtigen. Es gibt eine Version dieses AID-Systems, bei der eine automatische Mikrodosierung von Glucagon hilft, schwere Hypoglykämien zu vermeiden. Russel sieht deshalb Bedarf an größeren und längeren Studien mit diesen bi-hormonellen (Insulin und Glucagon) AID-System.
Fazit: Wenn alle diese hier diskutierten Ansätze sich in den nächsten Jahren in der Breite materialisieren, dann ist ein realistisches Ziel, dass jeder Patient mit Typ-1-Diabetes, aber auch viele mit Typ-2-Diabetes, ihre Therapieziele endlich zu erreichen. Insgesamt betrachtet, beleuchteten alle drei Vorträge die Zukunft der Diabetesbehandlung durch den Einsatz von Artificial Intelligence, Telemedizin und Automated Insulin Delivery.
DiaTec weekly – September 30, 22
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