Mitte März wurde in Großbritannien eine App auf den Markt gebracht, die es ermöglicht, ein System für eine Automatisierte Insulindosierung (AID) für Patienten mit Typ-1-Diabetes aufzubauen. Das AID-System wurde entwickelt von der Arbeitsgruppe CamDiab, geleitet von dem in diesem Zusammenhang sehr bekannten Roman Hovorka aus Cambridge. Die App mit dem etwas sperrigen Namen CamAPS FX AID hat bereits eine CE-Zertifizierung für den europäischen Markt und bemüht sich aktuell um eine Kostenerstattung in Deutschland. Der bei dieser App verwendete Algorithmus wurde in einer beeindruckenden Anzahl von hochrangig publizierten Studien gut evaluiert, diese umfassten auch die sonst häufig ausgeschlossenen Populationen von Kleinkindern und Schwangeren, auch die CE-Markierung schließt schwangere Frauen und Kinder mit ein.

Dieses AID-System ist ein hybrides System mit geschlossenem Regelkreis und arbeitet mit automatisierten Basalraten und manuellen Mahlzeiten-Boli. Beim Start muss der Nutzer das Körpergewicht und die gesamte tägliche Insulindosis eingeben. Der Algorithmus wird „personalisiert“, d.h. er passt die Insulindosis entsprechend dem Verhalten und den Bedürfnissen der Nutzer an. Der Zielglukosewert beträgt 105 mg/dl (5,8 mmol/l), die Insulinzufuhr wird alle 8-12 Minuten angepasst. Falls sich das Smart Phone außerhalb der Reichweite der Insulinpumpe befindet, kehrt diese zur vorprogrammierten Abgabe zurück. Der Strombedarf der App ist wohl so gering, dass der Akku in dem Smart Phone vier Tage lang reicht, wenn andere Verwendungen „minimiert“ werden.

Die App enthält zwei alternative Modi: „Boost“ und „Ease Off“. Der „Boost“-Modus soll bei höherem Insulinbedarf (z.B. bei Krankheit oder erhöhter Nahrungsaufnahme) verwendet werden, um postprandiale Spikes zu reduzieren. Im Gegensatz dazu soll der „Ease Off“-Modus in Zeiten mit niedrigerem Insulinbedarf, z.B. bei Bewegung, genutzt werden. Die App beinhaltet weiterhin einen Bolus-Kalkulator und die Möglichkeit das CGM-System zu kalibrieren. Mit dem Bolus-Kalkulator kann der Nutzer entweder die Kohlenhydrate-Menge eingeben oder eine der vier voreingestellten Mahlzeitengrößen (klein, mittel, groß und sehr groß) auswählen. Die Daten können automatisch hochgeladen werden und Textnachrichten-Alarme können an z.B. Familienangehörige versandt werden, wenn die App einen Alarm generiert.

Für das Glucosemonitoring wird ein Dexcom G6-System verwendet und für die Insulininfusion die SOOIL Dana RS-Pumpe. CGM-Daten werden in Echtzeit auf der Smartphone-App angezeigt. Die App läuft auf Android-Smart Phones und ist in Großbritannien im Amazon Appstore verfügbar. In 11 Kliniken gibt es dort zertifizierte Ausbilder, die die Nutzer betreuen. Für die Nutzung der App wird eine Gebühr von unter 100 Euro pro Monat angestrebt.

In Zukunft soll die Konnektivität mit anderen Insulinpumpen erreicht werden und die App auch in anderen Ländern angeboten werden. In den USA läuft das Zulassungsverfahren bei der FDA als Klasse II-Produkt innerhalb des iController-Pfades. Es gibt weitere Hersteller, die an vergleichbaren Ansätzen arbeiten: Tandem will in Kürze seine App bei der FDA einreichen, Insulet geht davon aus, dass das Omnipod Horizon-System mit Smartphone-Steuerung in 2021 verfügbar wird und Tidepool will mit Loop auf den Markt kommen.

Fazit: Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich so ein kleiner Anbieter auf dem Markt mit vielen großen Haifischen etablieren kann. Der Markterfolg hängt dabei nur zum Teil von der Güte des Algorithmus und der App ab, viele anderen Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle, z.B. wie schnell eine Kostenerstattung in Deutschland erreicht werden kann.

DiaTec weekyl – Apr 17, 20