Simone v. Sengbusch konzentrierte sich in ihrem Vortrag vor allem auf den durch die Telemedizin ermöglichten intensiveren Kontakt zwischen Patienten und Leistungserbringern sowie auf die mit telemedizinischen Besuchen einhergehende Flexibilität, die ihrer Meinung nach besonders für Familien von kleinen Kindern mit Diabetes von Vorteil ist. Sie sprach sich klar für den Einsatz der Telemedizin aus und erläuterte die Vorteile der Telemedizin in der Pädiatrie:
- häufigere Kontakte zwischen Patienten und ihren Leistungserbringern,
- Geld- und Zeitersparnis für Patienten und ihre Familien,
- bessere Nutzung der begrenzten Ressourcen des medizinischen Personals,
- flexible Betreuungs- und Arbeitskonzepte
- Kosteneffizienz im Vergleich zur regulären Betreuung
- kein Risiko, sich während des Klinikbesuchs eine Infektion zuzuziehen
- Zugang zu qualifizierter Beratung und Betreuung auch in ländlichen Regionen.
Hinzu kommen potenziellen Kosteneinsparungen, die die Telemedizin mit sich bringen kann. Häufigere und flexiblere Anpassungen der Patiententherapie ermöglichen letztlich bessere langfristige Gesundheitsergebnisse. Simone v. Sengbusch konnte zur Untermauerung ihrer Thesen auf Daten ihrer eigenen Studie zur Wirksamkeit der virtuellen ambulanten Diabetesversorgung verweisen. Am bemerkenswertesten war dabei das gestiegene Vertrauen in die Insulindosierung bei den Eltern der an der Studie teilnehmenden Kinder – sie nannten die monatlichen Interaktionen mit den betreuenden Ärzten und die Gespräche über Verhaltens- und Therapieänderungen als Hauptgrund für ihr gestiegenes Vertrauen.
Katharine Barnard Kelly vertrat die Position, dass Telemedizin nicht für alle Patienten geeignet ist, insbesondere bedingt durch Ungleichheiten beim Zugang zur Diabetesversorgung, die bei Inanspruchnahme von Telemedizin noch verschärft werden. So hat offenbar in Großbritannien einer von zehn Haushalten keinen Internetzugang, in den USA haben sogar 23% der Menschen zu Hause keinen Zugang zum Breitband-Internet. In beiden Ländern sind solche Ungleichheiten bei Angehörigen ethnischer Minderheiten und Rassen noch gravierender. Problematisch sieht die Rednerin, dass keine Kontrollmessungen wie z. B. HbA1c-Messungen und diabetische Fußuntersuchungen gemacht werden können. Alternativen wie CGM-Systeme, von denen z.B. ein Maß für die Glucosekontrolle (der GMI) abgeleitet werden kann oder Tabletts, die eine Fußkontrolle aus der Entfernung ermöglichen erfordern den Zugang zu zusätzlichen Technologien, den viele Patienten nicht haben. Sie wies auch darauf hin, dass die Telemedizin für einige Patienten, die keine solchen vernetzten Technologien nutzen können oder wollen, bedeuten kann, dass sie aus dem Blickfeld des Diabetesteams geraten, was das Risiko von Komplikationen und einem schlechten Diabetesmanagement erhöht. Ihre Forderung ist deshalb, dass Patienten, die keinen Zugang zu Technologien haben, weiterhin einen guten Zugang zu einer persönlichen Betreuung haben sollten. Die Diabetes-Teams sollen in Abstimmung mit ihren Patienten herauszufinden, welche Art der Versorgung für jeden Einzelnen am sinnvollsten ist.
Fazit: Es gibt überzeugende Argumente für beide Betrachtungsweisen und es ist spannend zu sehen, was die jeweils zu berücksichtigenden Faktoren sind. Der Wert und Bedeutung von Telemedizin hat sich insbesondere während der COVID-19-Pandemie gezeigt, ermöglichte sie doch eine kontinuierliche (Weiter-)Versorgung der Patienten. Trotz des großen Potenzials für das Diabetesmanagement wird eine virtuelle Betreuung die persönliche Versorgung von Patienten, besonders bei Kindern, nicht vollständig ersetzen können. Im Kontinuum der verschiedenen Menschen, die betreut werden müssen, gibt es eine eindeutige Einteilung dazu, wie verschiedene Gruppen von Patienten optimal betreut werden können. Wie sich dieses Thema in den nächsten Jahren etablieren und entwickeln wird, hängt neben der Weiterentwicklung der notwendigen Werkzeuge und digitalen Plattformen durch die Hersteller, die hier in einem ganz erheblichen Ausmaß investieren, insbesondere aber auch von der Bereitschaft der Kostenträger ab, die den Aufwand für solche Angebote angemessen honorieren müssen.
DiaTec weekly – November 5, 21
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