Dr. Matthias Kaltheuner, Leverkusen

Ärztliche Behandlung erfolgt traditionell in der physischen Begegnung eines Kranken mit seinem Arzt. Die direkte menschliche Begegnung bietet die besten Bedingungen zur bewussten und intuitiven Kommunikation. Dieses Vorgehen ist aber auch gut begründet darin, dass in vielen Konsultationen physische Befunde erhoben werden (körperlicher Untersuchungen, Labor und technische Untersuchungen). Ich möchte für die unmittelbare Begegnung den Begriff Präsenzbehandlung benutzen. Fernbehandlung umfasst jegliche Behandlung ohne physische Begegnung, meist mit technischen Hilfsmitteln. Traditionell ist dies v.a. die Telefonie, die schon lange und derzeit in großer Breite durch Festnetz, Mobilfunk und andere Dienste zur Verfügung steht.

Schon vor der aktuellen Virusepidemie gab es große Bemühungen, die Videosprechstunde zu fördern, um Kapazitätsdefizite in der Versorgung zu beheben oder zuvorzukommen. Vor allen für ländliche Gebiete liegen die Vorteile auf der Hand, z.B. wenn der Arzt Fahrzeiten zu Patienten einsparen kann. Beim Ersatz der normalen Sprechstunde dürfte die Zeitersparnis mehr die Patienten als die Ärzte betreffen.

Videosprechstundendienste werden zertifiziert, um Sicherheit zu gewährleisten, die Abrechenbarkeit der Videosprechstunde wurde deutlich verbessert, während Telefonate in der GKV kaum bezahlt werden. Die Nachbesserung zum 1.4.2020 ist ein Indiz hierfür, ist aber gering im Vergleich.

Die Digitalisierung ist in der Diabetologie durch die starke Datenlastigkeit der Krankheiten und die Offenheit der Patienten und Behandler sehr fortgeschritten. Behandlung ohne Datenlieferung der Patienten (Blutzuckertagebuch, CGM Gerät, Insulinpumpe, Online-Daten) ist auch in der Präsenzbehandlung sehr eingeschränkt möglich. Die Onlinedatenplattformen vor allem der CGM Systeme (Libre view, Clarity u.a.) liefern auch in der Fernbehandlung die meisten benötigten Daten. Die Plattformen haben noch Verbesserungspotential, über das in Ruhe zu sprechen ist, bieten aber eine sehr große Hilfe in der Therapieführung für Patient, Arzt und das gemeinsame Gespräch, sowie die gemeinsame Planung.

Der Infektionsschutz in der derzeitigen Virusepidemie legt die Fernbehandlung nah. Dabei stellt sich für die diabetologische Behandlung die Frage, welche Bedeutung die obigen Methoden haben. M.E. ist die Erörterung der Stoffwechseldaten zwischen Arzt und Patient das entscheidende Setting in der Behandlung. Hierfür müssen die Daten in einer angemessenen Form vorliegen. Wozu brauche ich aber das Video mit dem Gesicht des Patienten? Ein Bildschirmfenster für das Gesicht, eins für das Praxisverwaltungssystem und eins für die Daten?

Wir telefonieren im derzeitigen Shutdown mit den meisten Patienten, was recht gut funktioniert, da wir z.T. langjährige Präsenzbehandlungen hinter uns haben, die die Kenntnis um einander und das Vertrauen haben wachsen lassen. Ich wünsche mir dabei Stoffwechseldaten von allen, muss mich jetzt aber mit den Limitationen der Videosprechstunde beschäftigen, da nur so noch Honorar zu retten ist.

Fernbehandlung ist bei Sprachbarrieren auch am Telefon oft schwierig, klappt mit vielen älteren Patienten aber oft sehr gut. Videosprechstunde mit allen Älteren ist schlechter einzurichten als Telefonate. Ich bemerke, dass mir der persönliche physische Kontakt im Sinne der Präsenzbehandlung mehr gefällt als den ganzen Tag am Telefon und / oder am Computer zu agieren. Natürlich ist ein Videobild in einer physischen Behandlungssituation wie beim diabetischen Fuß Syndrom wertvoller als ein Telefonat, die Behandlung erfordert aber dennoch Präsenz.

Die Fern und die Präsenzbehandlung haben Vorteile, aber auch Nachteile, für die Zeit nach der Epidemie müssen wir ein ausgewogenes Angebot finden. Dieses kann aber nur funktionieren, wenn es sich entsprechend in der Honorierung abbildet.

Fazit: Die Digitalisierung ist in der Diabetologie viel weiter fortgeschritten als auf dem Niveau der Videoübertragung. Die Videosprechstunde ist wertvoll und wird ihren festen Platz finden. Die telefonische Fernbehandlung wird bislang in der GKV völlig verkannt und hat in der Diabetologie zusammen mit den digitalen Fortschritten einen festen Platz. Eine Neubewertung der Methoden ist bezüglich der Funktionalität und Honorierung dringend erforderlich.

PS: alle Genderangaben sind neutral beabsichtigt. M.K.

DiaTec weekyl – Apr 17, 20