Im Laufe der Zeit hat es immer wieder Versuche gegeben, ein Insulin zu entwickeln, das vorrangig an der Leber wirkt. Vergleichbar mit der Situation bei oralem Insulin würde ein subkutan verabreichtes Insulin dann genau dort wirken, wo Insulin physiologisch wirkt – beim hepatischen Glukosestoffwechsel. Dort gibt es eine direkte Wirkung über Insulinrezeptoren auf die Glykogen-Speicherung und indirekte Effekte an anderen Stellen durch die Suppression der Glucagon-Ausschüttung, von Fettsäuren und im Gehirn. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass eine Normalisierung der Glukoseverteilung zwischen Leber und der Muskulatur nicht möglich ist, wenn normales Insulin subkutan zugeführt wird.

Während die meisten Insulinhersteller an Formulierungen mit einer schnelleren – oder auch langsameren Pharmakodynamik für die optimale Abdeckung des Mahlzeitenbedarfes oder der Abdeckung des Basalbedarfes arbeiten, gibt es deutlich weniger Aktivitäten zum Ort der Applikation. Reviews zum Thema leberspezifische Insuline gibt es fast so viele wie es Originalarbeiten von klinischen Studien dazu gibt. Dabei wurden verschiedene Optionen untersucht, um Insulin möglichst direkt in die Leber zu bringen: Von der Infusion direkt in die Pfortader, über die Infusion in den Bauchraum bis hin zur Anbindung von PEG an Insulin Lispro. Auch zum ebenfalls wichtigen Thema der richtigen Insulindosis zum jeweiligen Zeitpunkt geben Bolusrechner nur Hinweise zum Mahlzeiteninsulin.

Die kleine US-Firma „Diasome Pharmaceutical“ Inc. versucht seit Jahren ein leberspezifisches Insulin zu entwickeln. Das “Hepatic-Directed Vesicle (HDV) insulin” basiert auf einer speziellen Matrix, die freies Insulin bindet und mit verschiedenen kommerziell verfügbaren rasch-wirkenden Insulinen verknüpft werden können. Diese Matrix sind Scheiben mit einem Durchmesser von 20 bis 50 Nanometer, die bis zu 100 Insulinmoleküle ankoppeln können, was dazu führt, dass das Insulin bevorzugt in der Leber aufgenommen wird – zumindest in Tierstudien. Studien mit Diabetes-Patienten zeigen einen geringeren Anstieg in den Blutglukosekonzentrationen bei subkutaner Gabe einer Mischung von Insulin mit HDV, als in der Kontrollsituation bei Verwendung der gleichen Insulindosis ohne HDV.

Aktuell hat Diasome eine hochrangige Publikation ihrer klinischen Daten in Diabetes Care erreicht. Diese Phase 2b-Studie wurde mit 141 vergleichsweise schlecht eingestellten Patienten mit Typ-1-Diabetes über einen Studienzeitraum von 26 Wochen durchgeführt. Bei der Gesamtpopulation ergaben sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der HbA1c-Absenkung, den verwendeten Insulindosen und der Time-in-Range <54 mg/dl. Allerdings wurde in einer vorher geplanten Subgruppenanalyse eine signifikante Reduzierung der Häufigkeit von Hypoglykämien bei Patienten in der Interventionsgruppe beobachtet, die einen Ausgangs-HbA1c-Wert ≥8,5% aufwiesen. Diese Patienten brauchten auch weniger Insulin, trotz einer vergleichbaren Absenkung im HbA1c. Es gab allerdings keine Unterschiede in der Reduktion des HbA1c insgesamt zwischen der Interventionsgruppe mit 98 Patienten, bei denen das für die Abdeckung des prandialen Insulinbedarfs verwendete Insulin Lispro mit HDV vermischt wurde (HDV-L), im Vergleich zu der Kontrollgruppe mit 43 Patienten, die nur Lispro verwendeten (bei beiden ca. 0,5%).

Dabei wiesen die mit HDV-L behandelten Patienten keine Unterschiede zu denen in der Kontrollgruppe in Hinsicht auf die verschiedenen Sicherheitsparameter auf, die bei der Studien untersucht wurden; die Absenkung des Gesamtcholesterins war stärker als in der Kontrollgruppe.

Eine Schlussfolgerung aus diesen Daten ist: Patienten können eine gleich gute Glukosekontrolle mit diesem hepatischen Insulin erreichen, ohne ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko aufzuweisen. Die Angst von Hypoglykämien ist eine der Hauptsorgen von Patienten mit Typ-1-Diabetes hinsichtlich ihrer Therapie.

Unser Fazit: Schaut man sich die eher schlechte Güte der Glukosekontrolle solcher Patienten in den USA an (mit einem HbA1c-Mittelwert von 8,3%), wie aktuell publizierten Daten von Registern zeigen, sollte jede Option genutzt werden, um das Outcome der Therapie zu verbessern. Es bleibt abzuwarten, ob überhaupt und wann dieses leberspezifische Insulin auf dem Markt kommen wird, aktuell ist dies noch völlig offen, trotz der attraktiven Vorteile von leberspezifischem Insulin.

DiaTec weekly – Dec 6, 19