In Berlin fand am vergangenen Dienstag, dem besagten Tag der Patientensicherheit, eine Konferenz zum Thema „Digitales Gesundheitswesen“ statt. Die Rednerliste las sich wie ein „Who-is-who“ der Gesundheitspolitik und aus allen wichtigen Institutionen waren Referenten dabei – G-BA, BMG, BfArM, KV, Kasse, etc. Den spannendsten Screen zeigte Dr. Peter Gocke, Arzt aus der Charitè: Auf der Leinwand baute sich langsam, aber kontinuierlich ein Bild, das grafisch alle Institutionen, Organisationen, Verbände und sonstige Stakeholder aus dem Gesundheitswesen zeigt, bis die Folie völlig überfüllt und nicht mehr zu lesen war. Und die merkwürdigste Info des Tages (und Antwort auf die Frage, warum Ärzte ihr Faxgerät so lieben): Jedes Fax wird mit 55 Cent vergütet, eine Email aber nur mit 28 Cent!!! Was für Schwachsinnspreise! – meinte einer der Redner und dem kann man sich nur anschließen!

Aber nun zu den Vorträgen und Inhalten: Prof. Hecken vom G-BA gab in gewohnt unterhaltsame Weise einen Überblick zur Bewertungskompetenz des G-BA in Bezug auf neue Untersuchungs-und Behandlungsmethoden bei digitalen Anwendungen. Was sich ein wenig steif liest, ist die Erkenntnis, dass bei digitalen Angeboten die bewährten Methoden nicht mehr greifen, vor allem, wenn das Digitale Verordnungsgesetzt (DVG) tatsächlich in Kraft tritt – digitale Anwendungen sollen zukünftig vom Arzt verordnet und von den Kassen bezahlt werden.

Wie aber sollen Apps und Co oder auch Hilfsmittel wie AID-Systeme zukünftig auf ihren Nutzen hin geprüft werden, wenn die rasante Entwicklung von Medizinprodukten nicht mehr Zeiträume von mehreren Jahren zulassen, sondern die Zyklen für Änderungen und technische Verbesserungen sich quasi in monatlichen Abständen drehen?

Dabei lässt sich die Frage: „Ist Digitalisierung ein Wert an sich?“ nicht einfach beantworten, denn es gilt nach Heckens Ansicht zu unterscheiden, ob es sich bei Gesundheits-Apps um so genannte Spaß-Apps wie Fitness-Apps oder Apps zur Erinnerung an eine Medikamenteneinnahme handelt, für die die Solidargemeinschaft nicht eintreten muss – oder ob sinnvolle digitale Health-Anwendungen, die z.B. die Gesundheitskompetenz stärken oder durch Analysen Erkenntnisse schaffen oder auch die Selbstwirksamkeit, Adhärenz und Sicherheit des Patienten fördern, erstattet werden.

Nichtsdestoweniger darf es keinen evidenzfreien Raum für Produktkategorien geben, auch wenn digitale Angebote großes Potential für die Optimierung der Versorgung haben. Es müssen Bewertungsverfahren etabliert werden, die wie bei den Medikamenten auch den Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit von digitalen Medizinprodukten gewährleisten. Heckens Lösungsvorschlag sind Register-Studien, für die AID-Systeme will die Hersteller in die Pflicht nehmen, solche Studien unter Aufsicht und nach den Kriterien des G-BAs in ausgewählten Schwerpunktpraxen und dort mit ALLEN Patienten, die ein AID-System erhalten, durchzuführen.

16 Gesetze in 16 Monaten – das ist die Bilanz „so fare“ unseres aktuellen Gesundheitsministers. Spahn sei diskussions- und kritikfreudig, erzählte Christian Klose als Vertreter des BMGs und gab einen Einblick in die aktuellen Projekte des BMGs. Auch wenn die DVG noch nicht als Gesetz verabschiedet wurde – die Richtung, die das BMG damit einschlägt, ist klar definiert: Regelmäßige Innovationsforen, der Ausbau der Telematik-Infrastruktur, Berlin als Modellstadt für einen Health Innovation Hub und ein Health Hackerthon sind nur ein Teil der Projekte, die sich das BMG auf die Fahne geschrieben hat und wir dürfen gespannt sein, was noch kommt, denn aktuell hinkt Deutschland seinen digitalen Möglichkeiten ziemlich hinterher. Das machte der Leiter der KV Telematik, Dr. Florian Fuhrmann, mit seinem Vortrag deutlich. Es fehlen internationale Standards, weil Deutschland sich IT-mäßig abgeschottet hat. Die komplexe Regulierung und die Struktur des Marktes, juristische Probleme, eine ungeheure Soft- und Hardware-Heterogenität und nicht zuletzt die vielen verschiedenen Interessensgruppen und die aktuelle Zentriertheit der Patientendaten auf den einzelnen Arzt sind enorme Hürden auf den Weg in eine offene, besser nutzbare und Patienten-zentriertere Medizin.

Unser Fazit: An Ideen und dem Willen mangelt es nicht. Es gilt, für diese Ideen die notwendigen Strukturen zu schaffen, um die umsetzbar zu machen. Es gilt auch, allen Beteiligten klarzumachen, dass diese Aufgabe nur gemeinsam zu lösen ist.

Erst dann, wenn wir tatsächlich mal die gemeinsame elektronische Patientenakte haben und sich jeder Arzt schnell und unkompliziert einen Einblick in die aktuelle Situation eines Patienten verschaffen kann, erst dann, wenn wir das elektronische Rezept haben mit elektronischer Signatur und erst dann, wenn wir eine echte Online-Terminvergabe haben, die direkt die Dringlichkeit und die richtige Versorgungsebene ermittelt – erst dann haben wir die Chance, zurück zu einer echten Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu kommen. Die Digitalisierung darf keinesfalls den Wert des persönlichen Gesprächs ersetzen.

DiaTec weekly – Sep 20, 19