Wenn jedoch ein großer US-Versicherer wie „Highmark Health“ eine Zusammenarbeit mit der Firma Onduo ankündigt, lohnt es sich genauer hinzuschauen. Hinter Onduo steckt Verily, die wiederum ist eine Tochtergesellschaft von Alphabet, die wiederum zu Google gehört, ganz großes Kino also. Aktuell wird auf der Homepage von Onduo an prominenter Stelle über ein neues Diabetes-Management-Programm mit dem netten Namen „Well360 Diabetes Management“ berichtet. Mit diesem Programm will Highmark Health nun die Betreuung seiner versicherten Mitglieder mit Diabetes unterstützen und damit sowohl die Behandlungsergebnisse verbessern als auch gleichzeitig die Behandlungskosten senken. Diese Markteinführung ist Teil einer umfassenderen sechsjährigen Partnerschaft zwischen Verily/Onduo und Highmark Health zur Entwicklung „digitaler Pflegelösungen“.
Auf dieser Plattform soll eine personalisierte Behandlung von erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes ermöglicht werden, indem diese die diversen Optionen von Onduo einsetzt. Hinzu kommen Pflegekoordination und Fernverordnungen, Optionen, die bereits jetzt verfügbar und zudem kostenlos sind für die „meisten“ erwachsenen Mitglieder mit Typ-2-Diabetes dieser Versicherung. Wenn sich Mitglieder an diesem Programm anmelden, werden sie mit einem Pflegekoordinator zusammengebracht, der einen personalisierten Managementplan für den individuellen Teilnehmer entwickelt und ihn bei Programmen zu Lebensstiländerungen, Medikamenteneinnahmen, Ernährung und Bewegung unterstützt. Das Programm nutzt die virtuelle Programmierung von Onduo einschließlich integrierter Datenprotokollierung (Glucosewerte, Essensverhalten, körperliche Aktivität, Schlaf); hinzu kommen personalisierte Ernährungs- und Bewegungstipps sowie ein Coaching, das zusammen mit einer telemedizinischen Betreuung von Diabetesberaterinnen, Endokrinologen und Ernährungsberatern angeboten wird. Intelligente Tracking-Tools und Zubehör wie z. B. ein verbundenes Blutglucosemesssystem, HbA1c-Test für zu Hause oder eine unbegrenzte Anzahl von Teststreifen ergänzen das Programm. Zukünftig soll noch die Option zur Nutzung eines CGM-Systems hinzukommen, auch weil in einer klinischen Studie mit diesem Programm bei Nutzung eines G6 von Dexcom ein signifikanter Vorteil gezeigt werden konnte. Bei dieser Patientengruppe ist vermutlich der intermittierende Einsatz eines CGM-Systems von Nutzen.
Parallel zu dieser Ankündigung präsentiert ein weiteres Unternehmen mit dem Namen Teladoc die Ergebnisse des ersten Quartals 2022 und gab einen Ausblick zu seinem Geschäft. Zur Erinnerung: Teladoc hatte für viele Milliarden (!) Dollar vor mittlerweile einigen Jahren Livongo gekauft, die ebenfalls einen virtuellen Beratungsansatz für Patienten mit Typ-2-Diabetes entwickelt hatte. Im Nachgang fiel der Wert der Teladoc-Aktie um ca. 40%, was eine Wertminderung in Höhe von 6,6 Milliarden US-Dollar bedeutete und durchaus auf die Übernahme von Livongo zurückzuführen war. Auch Teladoc bietet seinen Mitgliedern mit chronischen Erkrankungen Zugang zu mehreren virtuellen Betreuungsprogrammen an. Das wichtigste Programm hat den Namen „Primary 360“ und ermöglicht seinen Mitgliedern, einen virtuellen Hausarzt und ein virtuelles Pflegeteam auszuwählen. Außerdem wird bei Bedarf dabei geholfen, lokale Anbieter für Gesundheitsangebote zu finden.
Fazit: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tut sich also etwas. Auch wenn allzu häufig und anders als bei uns allein ein gutes Managementkonzept dabei hilft, viele Millionen Dollar an „Private Equity“ einzusammeln, am Ende sind solche Ansätze durchaus attraktive Angebote für die Kostenträger. Wir hier in der alten Welt sind vielleicht immer noch ein wenig rückständig, wenn es darum geht, den Wert digitaler Gesundheitslösungen für das Management komplexer, chronischer Krankheiten zu erkennen. In Bezug auf die kontinuierlich ansteigenden Kosten für die Behandlung von Patienten mit Typ-2 Diabetes sollten wir aber nicht aus dem Auge verlieren, wie hilfreich ein digitales Coaching und virtuelle Betreuung bei Diabetes für unser Gesundheitssystem sein können. Für die Kostenträger sollte deshalb gelten, digitale Angebote, die es durchaus auch bei uns gibt, in Pilotprojekten zu validieren. Perspektivisch wird der zunehmende Mangel an niedergelassenen Ärzten nach solchen Ansätzen geradezu schreien, um der Flut an Patienten mit Diabetes etwas entgegen setzen zu können.
DiaTec weekly – September 2, 22
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