Seit einer Woche ist er nun da, der Leitfaden zum Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). An diese neue Abkürzung, die aus dem Digitalen-Versorgungs-Gesetz (DVG) stammt) gewöhnt man sich beim Lesen rasch. In einer klaren Sprache und Struktur werden in diesem 120seitigen Entwurf (!) die komplexen Anforderungen dargelegt, die eine App erfüllen müssen, damit die jeweilige DiGA in dem DiGA-Verzeichnis gelistet wird und von einem Arzt zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen verschrieben werden darf („App auf Rezept“). Dabei werden DiGAs als Teil einer digital gestützten Gesundheitsversorgung betrachtet, als „digitale Helfer“ in der Hand der Patienten. Die in dem DiGA-Verzeichnis enthaltenen Informationen sollen die Ärzte auch darin unterstützen, die bestgeeignete DiGA zu verordnen.

Da es hier um Gelder aus der Solidargemeinschaft geht, erscheint es völlig korrekt, dass dies nur dann erfolgt, wenn die jeweilige App nachweislich sicher und effizient ist, dass in dieser Leitlinie beschrieben Prüfverfahren erfolgreich durchlaufen hat (s. Abbildung 1). Die Details zum Antragsverfahren, zu den Anforderungen an die DiGA und zur Ausgestaltung des DiGA-Verzeichnisses hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) umfassend geregelt. Das BfArM hat drei Monate Zeit für die Bewertung der jeweiligen App, nach Eingang des vollständigen Antrages. Der Leitfaden soll auf Basis der gesammelten Erfahrungen kontinuierlich angepasst, ergänzt und weiterentwickelt werden.

In der Leitlinie wird in 4 Kapiteln beschrieben wie und was es dafür von dem Antragsteller zu tun gilt. Positiv kommt die mehrfach dargelegte Bereitschaft des BfArM rüber, zur Kommunikation mit dem Antragsteller und zur (kostenpflichtigen) Beratung. Im gleichen Sinne ist das Glossar gut, vermutlich helfen die hier verwendeten Definitionen für die hier verwendete „neue“ Sprachwelt zu einer einheitlichen Sprache auch bei den Anträgen zu kommen. Da Apps – im Gegensatz zu z.B. Medikamenten oder anderen Medizinprodukten – im Prinzip in einem dauernden Weiterentwicklungsprozess sind (durch Updates), gilt es auch die dadurch eintretenden Änderungen der Apps adäquat zu berücksichtigen.

DiGA dürfen nur Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa sein (s. Medical Device Regulation (MDR)) (S. 11). In dem Leitfaden wird auch die Rolle von medizinischen Fachgesellschaften angesprochen; dies hat im Bereich der Diabetologie DiaDigital ja schon exemplarisch gezeigt. Im Rahmen des Antrages muss die Sicherheit und Funktionstauglichkeit der DiGA nachgewiesen werden, der Nachweis dazu erfolgt durch das Konformitätsbewertungsverfahren nach der MDR. Bis zum Start der MDR im Mai 2021 ist allerdings auch ein Nachweis unter der bestehenden MDD ausreichend. Also muss jede zu bewertende App eine CE-Markierung aufweisen, d.h. eine benannte Stelle muss sich die App angeschaut haben, davon sind keine Ausnahmen zulässig (S. 34). Da diese Stellen aktuell überlastet sind, stellt dies eine deutliche Blockade dar und bedeutet unter Umständen eine Zeitverzögerung für die Einreichung und damit die Bewertung von DiGA (bei der Risikoklasse I können die Hersteller selbst die Konformität darlegen). Dem Datenschutz wird breiter Raum gewidmet, ein umfassendes Tracking der Nutzeraktivitäten ist nicht zulässig. Es wird auch klar beschrieben, wo Datenverarbeitung außerhalb Deutschlands zulässig ist, wobei auch ersichtlich wird, wie komplex dieses Thema im Detail ist. Der Abschnitt zum Thema Informationssicherheit wird für den Nicht-Eingeweihten irgendwann schwierig zu verstehen. Auch bei der Interoperabilität wird die Komplexität der Anforderungen deutlich (S. 49): „Sofern sich eine in der DiGAV geforderte interoperable Schnittstelle einer DiGA über ein von der KBV definiertes MIO oder einen im vesta Verzeichnis als empfohlen ausgezeichneten Standard oder ein ebensolches Profil umsetzen lässt, sind dieses MIO bzw. dieser Standard oder dieses Profil zu verwenden.“. Interessanterweise gibt es eine ganze Reihe von Beispielen (S. 54) die sich konkret auf Fragen / Ansätze aus dem Bereich der Diabetologie beziehen. Die Datenerfassung über Wearables wird berücksichtigt, dabei soll der Nutzer selber entscheiden können, welches Hardware er einsetzen will; hier geht es z.B. auch um Blutzuckermesssysteme (S. 60). Erfreulich ist, dass auch die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen behandelt werden, wie z.B. Menschen mit Sehschwächen / Blinde (S. 67). Wert wird auch darauf gelegt, dass in den Apps zu erkennen ist, auf welchem Stand des medizinischen Wissens diese sind, es gilt passende Studien konkret zu nennen. Irgendwann fragt man sich, welche Aspekte werden in dem Kapitel und den diversen angesprochenen Themen eigentlich nicht abgedeckt? Wie sieht es mit Besonderheiten der beiden gängigsten Betriebssysteme aus? Apple und Android bieten ja unterschiedliche Optionen z.B. bei der Unterstützung der User an.

Der wohl wichtigste Abschnitt für die Bewertung ist der über den Nachweis von positiven Versorgungseffekten durch die Nutzung der DiGA, wobei es gewisse Übergangsfristen gibt. Hier wird beschrieben, wie und durch welche Studiendesigns solch ein Nachweis geführt werden kann, im Sinne der Patienten sind dies gute und ambitionierte Vorgaben. Dabei muss der Nachweis für eine klar definierte Patientengruppe erfolgen und es muss mindestens ein positiver Effekt nachgewiesen werden. Die gewählten Endpunkte müssen zeigen, dass die Patienten durch die Anwendung der DiGA profitieren, dies erfolgt durch eine vergleichende Studie. Die Anwendung muss dabei Vorteile im Vergleich zur Nichtanwendung zeigen. Bei quantitativen Studien muss die gewählte Methodik adäquat zum Untersuchungsgegenstand sein; das BfArM bietet einen frühen Austausch in der Planungsphase der Studie an. Die Studien sollen in Deutschland durchgeführt werden, in einem Studienregister erfasst und publiziert werden.

DiaTec weely – Apr 30, 20