Es gab nicht „die“ (Tech-)Studie, die beim diesjährigen ADA vorgestellt wurde, dafür aber eine ganze Reihe von interessante Einzelaspekten. Eines der Hauptthemen war, wie und in welchem Ausmaß die Verfügbarkeit von Medikamenten mit einem ausgeprägt positiven Einfluss auf das Körpergewicht (mit gerade hier in den USA sehr hohen Tagestherapiekosten), die Diabetestherapie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes in Zukunft verändern wird. Daraus resultiert ja auch die Frage, ob es dann mehr oder weniger Diabetes-Technologie bedarf? Die Nutzung von CGM bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, unabhängig von deren Therapie, war ein weiteres häufiges Gesprächsthema. Während die Nutzung von CGM- und AID-Systemen mittlerweile Behandlungsstandard bei Patienten mit Typ-1-Diabetes ist, sofern das jeweilige Gesundheitssystem dafür aufkommen kann und will, wird sich in den kommenden Jahren die Frage stellen, wie wir mit diesen modernen Technologien bei Patienten mit Typ-2-Diabetes umgehen werden.
„Disparities“, also der fehlende Zugang zu modernen Therapieformen, war ebenfalls ein Thema, das mit vielen Postern und deutlich weniger Vorträgen behandelt wurde. Dabei zeigten sich teilweise erschreckende Missverhältnisse, wenn es z.B. um Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben geht.
Bei den Postern wurden u.a. prospektive Studiendaten zu Bigfoot gezeigt, dies ist ein System mit einem connected Smart-Pen. Ein Poster zeigte Real-World-Daten von Insulininfusionssets, die über sieben Tage hinweg funktionieren sollen; allerdings betrug die mittlere Nutzungsdauer „nur“ 6,7 Tage. Bei den Late-Breaking-Postern gab es einiges zu Nicht-Invasiven Glucose-Messsystemen, wobei einem die signifikanten Fortschritte dabei nicht so richtig ins Auge sprangen. Es gab aber interessante Posterbeiträge aus Deutschland, z.B. welche Substanzen bei der CGM-Messung interferieren, dies ist ein in der Praxis vielfach ignoriertes bzw. nicht bekanntes Thema.
In der Industrieausstellung stachen die Größen der Stände von Abbott und Dexcom ins Auge, auch hier ein Gamechanger, denn während in früheren Jahren die Stände von Pharmafirmen immer die größten und sichtbarsten waren, sind es nun die Stände der Hersteller von Medizinprodukten. Eine ganze Reihe von weiteren Medizinprodukte-Herstellern war mit mehr oder weniger großen Ständen vertreten, manche Firmen glänzten aber auch durch Abwesenheit. Beim ADA können kleine Firmen/Start-Ups zu vergleichsweisen günstigen Konditionen auch kleine Standflächen buchen und dort ihre neuen Produkte oder Dienstleistungen dem durchaus interessierten Publikum präsentieren. Das offene Interesse an neuen Dingen in den USA ist bestimmt ein klarer Vorteil, auch wenn das Wagniskapital nicht mehr so locker neue Entwicklungen fördert, wie dies früher der Fall war. Um den ADA herum gruppieren sich eine Vielzahl von öffentlichen Events (wie Firmen-Symposien, Investor-Days sowie Investor-Challenges), bei denen informativ über neue Entwicklungen berichtet und diskutiert wurde.
In einem Panel von Kelly Close diskutierte eine Gruppe von Diabetes-Experten darüber, wie die Diabetestherapie in den nächsten 5 bis 10 Jahren aussehen könnte: Von der kontinuierlichen Ketonmessung bis hin zum automatischen Insulin – so lautet das Fazit. Fortschritte bei der kontinuierlichen Glukosekontrolle sind eine höhere Genauigkeit und die weitere Verlängerung der Tragezeit des Sensors. Die kontinuierliche Ketonkontrolle hat das Potenzial, diabetische Ketoazidosen bei Menschen mit Diabetes zu verringern, hier könnte es zu dualen Glukose-Keton-Sensoren kommen. Softwarefortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens ermöglichen personalisierte Einblicke in das Glucose-Geschehen, z.B. das Erkennen von Blutzuckerspitzen um 2 Uhr in der Nacht.
Einmal wöchentliche und auf Glukose reagierende Insuline sind bereits in der Entwicklung und könnten ein enormer Vorteil werden, z.B. in der Pflege oder bei Kindern und Menschen, die neu auf eine Insulintherapie eingestellt werden. Insuline, die auf den Glucosespiegel reagieren und nur dann aktiv werden, wenn dieser hoch ist, wären eine enorme Erleichterung für den Alltag mit Diabetes. Allerdings bedarf es noch viel Zeit und viele Studien, bevor solche Insuline marktreif sein werden.
Hinsichtlich der Anzahl von Teilnehmern gab es unterschiedliche Aussagen, eine Quelle sprach von 7.000 Menschen vor Ort und weiteren 2.000, die virtuell den Vorträgen gelauscht haben. Dies wären deutlich weniger als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. Trotzdem ist und bleibt dies wohl das weltweit größte Diabetes-Meeting, noch vor dem EASD und dem ATTD. Allerdings ist gerade der ATTD von der Teilnehmeranzahl her über die Zeit hinweg deutlich größer geworden.
Fazit: Nicht nur wegen des Wetters war San Diego eine Reise wert und die Stimmung bei den Sessions und auf den Gängen war ausgesprochen gut. Die Teilnehmer waren sichtlich froh, sich wieder frei bewegen zu können und all die Kollegen treffen zu können, die sich aufgemacht hatten, manche hatte man ja Jahre nicht in-persona gesehen. Wir werden perspektivisch in weiteren Beiträgen gezielt über interessante Präsentationen und Poster berichten.
diatec weekly – Juli 7, 23
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