Im März 2012 wurde das Screening auf Gestationsdiabetes (GDM) verpflichtend bei der Betreuung jeder Schwangeren in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen. Bei diesem zweistufigen Verfahren wird im ersten Schritt ein Screening-Test in der Schwangerschaftswoche 24. – 28. durchgeführt. Die schwangeren Frauen trinken bei diesem Screening Test („glucose challenge test“ (GCT)) eine Lösung mit 50 g Glucose zu einem beliebigen Zeitpunkt und anschließend wird die venöse Plasma-Glucosekonzentration gemessen. Im Fall eines pathologischen Ergebnisses wird anschließend nüchtern unter standardisierten Bedingungen ein oraler Glucosetoleranztest (oGTT) durchgeführt, dabei trinken die Frauen eine Lösung mit 75 g Glucose.
Da der oGTT generell für die Diabetes-Diagnostik von großer Bedeutung ist, gilt die hier diskutierte Problematik für alle Diabetestypen und nicht nur für die GDM-Diagnostik. Eine Diabetes-Diagnose hat weitreichende Konsequenzen für Patienten mit Diabetes, sein soziales Umfeld und das Gesundheitssystem. Es gilt auch, rechtliche Probleme bei falsch-negativen und falsch-positiven Testergebnisse zu bedenken. Es braucht also ein standardisiertes Verfahren mit guter Messgenauigkeit für eine reproduzierbare Durchführung des oGTT.
Aktuell steht kein Fertigarzneimittel mehr als Glukoselösung zur Verfügung, d.h. die Praxen und Kliniken müssen diese für diesen wichtigen diagnostischen Test selber herstellen. In den Praxen wird heute wohl häufig die zuvor in der Apotheke abgefüllte Glucose für den oGTT aufgelöst. Dafür verwenden diese per Rezepturverordnung bzw. -anforderung in Apotheken abgewogenen Traubenzucker zur Rekonstitution mit Trinkwasser. Zur Anwendung kommen allerdings unterschiedliche Mengen, Substanzen und Hilfsstoffe. Um das Risiko einer falschen Diagnose so gering wie möglich zu halten, ist die definierte Herstellung der Glucoselösung für den oGTT von erheblicher Bedeutung. Schon im Jahr 2019 hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Pressemitteilung von dieser Praxis ausdrücklich abgeraten, weil sie ein Risiko für Ungenauigkeiten und Verunreinigungen birgt und so zu falschen Testergebnissen führen kann.
In Kürze dargestellt sind die Kernprobleme aus unserer Sicht:
- Die Verwendung von reiner Glucose vs. Glucose-Monohydrat,
- Die Verwendung unterschiedlicher, nicht immer optimal verträglicher Hilfsstoffe,
- Löslichkeit und Stabilität nur bei definierter Temperatur,
- Bedeutung der Wassermenge zum Auflösen,
- Zeitdruck in der Praxis bei der frischen Zubereitung,
- Nutzen-Risiko bei nicht erkanntem Gestationsdiabetes usw.
Ferner muss die zugegebene Flüssigkeit präzise abgemessen werden, um das Mischverhältnis nicht zu verfälschen. Trotz aller Mühen und optimaler Bedingungen kommt es immer wieder dazu, dass ein Rest Glucose im Behältnis verbleibt, der sich nicht auflöst und so zu einer falsch-negativen Interpretation des Testes führen kann. Zudem stehen in Praxen häufig keine Räume zu Verfügung, die den Hygieneanforderungen entsprechen, was wiederum zu Verunreinigungen führen kann.
Gemäß Produkthaftungsgesetz können behandelnde Ärztinnen und Ärzte dafür haften, wenn Probleme bei den in der Praxis hergestellten Glucoselösungen auftreten. Sie sind in diesen Fällen rechtlich als Hersteller eines Arzneimittels anzusehen. Dies führt zu der klaren Forderung, nur qualitätsgesichert hergestellte Lösung zu verwenden. Damit dies gewährleistet werden kann, war es zunächst erforderlich, eine Analyse der bisher verwendeten Vorgehensweise in den Apotheken durchzuführen. Dabei wurde deutlich, dass eine Aktualisierung der Standardzulassungsmonographie sowie neue Informationen und Vorgaben nötig wurden. Die Details dieser Analyse können dem Addendum zu dem aktuell von der Deutschen Diabetes Gesellschaft veröffentlichten Positionspapier entnommen werden. Die Anpassung der Standardzulassungsmonographie ist nun erfolgt, sodass eine standardisierte Herstellung der Glucose-Lösung nach dieser neuen Vorschrift NRF 13.8 bundesweit möglich ist. Diese ist im Rezepturenfinder für Ärzte in der DAC/NRF-Plattform für Arzte (kostenlos, DocCheck) abrufbar.
In Anbetracht der häufigen Durchführung des oGTT und dessen Bedeutung für die Patienten sollten die Krankenkassen die Kosten für die vorgeschlagene Fertiglösung übernehmen. Idealerweise sollte es eine bundeseinheitliche Regelung zur Erstattung durch alle Krankenkassen geben.
DiaTec weekly – November 13, 20
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