In dieser Publikation hat ein internationales Konsortium von Fachleuten mit praktischer Erfahrung mit diesen sogenannten Open-Source AID-Systemen unter Federführung der Charité in Berlin, des King’s College in London und Stanford Medicine in den USA die aktuellen Erkenntnisse zusammengefasst. Der Artikel liefert zudem eine Beschreibung der verschiedenen Technologien und erörtert die ethischen und rechtlichen Erwägungen für diese Systeme aus einer internationalen Perspektive. Damit wird auch ein internationaler Konsens zur Unterstützung der Implementierung von solchen Open-Source-Systemen im klinischen Umfeld mit klinischen Leitlinien vorgelegt. Dies wird für verschiedene Interessengruppen von Relevanz sein, wie EntwicklerInnen und Hersteller von kommerziellen AID-Systemen sowie Regulierungsbehörden. Dieser Konsensus wird von einigen nationalen Diabetes-Organisationen, aber vor allem von einer Reihe von internationalen Organisationen, unterstützt. Sie haben den Text vor der Publikation kritisch gegengelesen, so wie es auch weitere AID-Experten, die als Berater für das OPEN-Projektes aktiv sind getan haben.
Ein Kennzeichen solcher AID-Systeme ist ja, dass sie von den Nutzern selbst entwickelt und gebaut wurden und werden. Sie basieren auf verfügbaren Hardware-Komponenten (CGM-Systeme, Smart-Phones, Insulinpumpen) und einer selbst entwickelten Software, die permanent weiter optimiert wird. Dies ist ein geglücktes Beispiel für nutzergesteuerte Innovationen durch eine Online-Community, die direkt von Diabetes betroffen ist. Die Akzeptanz dieser Systeme nimmt weltweit weiter zu, wobei aktuelle Schätzungen von mehreren Tausend aktiven NutzerInnen ausgehen. Es liegen auch immer mehr Erkenntnisse aus der Praxis vor, die Aufschluss über die Sicherheit und Wirksamkeit solcher Systeme geben2.
Parallel dazu ist in einer anderen englischen Diabetes-Zeitschrift ein Artikel erschienen, in dem legale Aspekte bei der Nutzung von solchen Systemen diskutiert werden3. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang lautet, welche juristischen Konsequenzen es für die behandelnden ÄrztInnen hat, wenn sie diese Systeme mit Patienten besprechen, Informationen dazu bereitstellen oder sie sogar empfehlen. In Deutschland hat die DDG dies rechtlich prüfen lassen, dies sind wohl eher wenige. Wichtig dabei ist aber, dass ÄrztInnen auf bestehende Risiken ausreichend hinweisen und diese besprechen. Eine ehrliche Darstellung der Pros und Cons ist deshalb von zentraler Bedeutung. Weiterhin ist die Verschreibung der dafür notwendigen Komponenten (CGM-Systeme und Insulinpumpen), nicht fahrlässig, wenn der Arzt nach den anerkannten Standards der Heilkunde handelt. In Bezug auf Kinder, deren Eltern ein solches System selber bauen möchten, gelten – in Ermangelung eindeutiger Anleitungen – die bestehenden Rechtsgrundsätze.
Fazit: Durch die Verfügbarkeit von kommerziellen AID-Systemen und deren permanente Weiterentwicklung liegt zwar in den meisten europäischen Ländern nicht mehr die Situation vor, die ursprünglich die Entwicklung von selbstgebauten AID-Systemen getriggert hat, nämlich, dass es keine AID-Systeme für die Betroffenen gab. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass Open-Source AID-Systeme in absehbarer Zeit wieder aus dem Praxisalltag verschwinden werden, weil nicht alle NutzerInnen auf kommerzielle Systeme umschwenken werden. Die Möglichkeit einer permanenten und zeitnahen Optimierung der Performance solcher Systeme durch die Open-Source Community, ohne dabei auf die Involvierung eines Herstellers und regulatorische Behörden angewiesen zu sein, ist für viele NutzerInnen anscheinend ausgesprochen attraktiv. Die nun vorliegende Konsensus-Publikation hilft vermutlich bei dem Einsatz der Systeme im klinischen Setting und man kann den AutorInnen nur dazu gratulieren, den nicht einfachen Prozess des Schreibens und der Publikation eines solchen Artikels erfolgreich bewältigt zu haben!
- Braune, K.; Lal, R. A.; Petruzelkova, L.; Scheiner, G.; Winterdijk, P.; Schmidt, S.; Raimond, L.; Hood, K. K.; Riddell, M. C.; Skinner, T. C.; Raile, K.; Hussain, S.; Network, O. I. H. P.; Group, O. L. A., Open-source automated insulin delivery: international consensus statement and practical guidance for health-care professionals. Lancet Diabetes Endocrinol 2021.
- Knoll, C.; Peacock, S.; Waldchen, M.; Cooper, D.; Aulakh, S. K.; Raile, K.; Hussain, S.; Braune, K., Real-world Evidence on Clinical Outcomes of People with Type 1 Diabetes Using Open-Source and Commercial Automated Insulin Dosing Systems: A Systematic Review. Diabet Med 2021, e14741.
- Dickson, R.; Bell, J.; Dar, A.; Downey, L.; Quigley, M.; Moore, V., #WeAreNotWaiting DIY artificial pancreas systems and challenges for the law. Diabet Med 2021, e14715.
DiaTec weekly – November 26, 21
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